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Deutscher Rollenspielpreis 2019

Laudatio: Sonderpreis für das Lebenswerk

Thomas Römer, Rollenspielregeldesigner, -autor und -redakteur (DSA, Shadowrun, Splittermond) hielt die Laudatio auf Elsa und Jürgen Franke:

Elsa und Jürgen Franke bei der Verleihung des Deutschen Rollenspielpreis

Ich bin ja ein Rollenspieler der zweiten Generation. 1984, als ich mit dem Rollenspiel begann, ist zwar auch schon eine Zeit lang her, aber es gibt doch etliche Leute, die in Deutschland schon vorher gespielt haben, und der diesjährige Deutsche Rollenspielpreis geht an zwei Personen, die nicht nur bereits seit Mitte der Siebziger dem Hobby verbunden, sondern ihm über die Jahrzehnte auch treu geblieben sind.

Elsa und Jürgen Franke traten 1973 dem FOLLOW bei, der „Fellowship of the Lords of the Lands of Wonder“ , dem 1966 gegründeten Club der Freundinnen von Fantasy-Literatur, fantastischen Welten und fantastischem Spiel. Letzteres, unter dem Namen Das Ewige Spiel, fand auf der Welt Magira statt, einer phantasievollen Spiegelung irdischer Kulturen, und war (und ist) ein Diplomatie- und Strategiespiel, das auf den FOLLOW-Treffen, den Festen der Fantasie, ausgespielt wird, das aber auch Briefspiel-Komponenten beinhaltet. Auf einem jener FdFs lernten die Frankes – beim Ewigen Spiel und im FOLLOW mittlerweile als Schlangen-Clan und Provinz Erainn aktiv – 1976 dann Dungeons & Dragons kennen und spielen. Die FdF-D&D-Runde 1977 gilt dabei als die erste deutschsprachige Rollenspielrunde (und man rätselt noch, ob es vielleicht überhaupt die erste Spielrunde auf deutschem Boden war).

Kurze Zeit lernte man das brandneue „Empires of the Petal Throne“ kennen, das auf M.A.R. Barkers beeindruckend detailliert ausgearbeiteter Welt Tékumel basierte. Und wie es in der Rollenspielszene seit Generationen (hüstel) so üblich ist, war der nächste Schritt, der zum „Homebrew“, zur auf die eigene Spielgruppe angepassten System und Hintergrund. Zuerst in der quasi-legendären Frankeschen Silvesterrunde 1977/78, wo sich bereits auf der Basis der Regelkerne von EPT und D&D deutliche eigene Anklänge an Magira und das spätere Midgard zeigten, schließlich 1978 in Jürgen E. Frankes knapp 100-seitigem eigenen Regelsatz „Empires of Magira“, welches auch für Außenstehende das Spiel auf Magira ermöglichte. (Dass man damals die fürs Spiel benötigten Würfelsysteme danach designte, welche Würfel man überhaupt im deutschsprachigen Raum beschaffen konnte, sei hier nur am Rande erwähnt.)

Nach einigen Umstellungen bei FOLLOW kam es 1978 zur Gründung des Clubs für Fantasy- und Simulationsspiele, der nicht nur die komplexeren Brettspiele jener Zeit auf seinen Cons bekanntmachte und förderte, sondern auch Rollenspiele wie D&D und Traveller, vor allem aber das Haussystem Empires of Magira, das bald unter Midgard firmieren sollte. Als „offizielles“ Geburtsjahr Midgards gilt allgemein das Jahr 1981, als die ersten Hefte „Midgard 1“ und „Midgard 2“ über die Club-Kreise hinaus der Öffentlichkeit vorgestellt wurden. Die Midgard-Hauspostille „Gildenbrief“ ist nur unwesentlich älter, ebenso die als CFS-Magazin gegründete „Mythos“, die später (bis 1992) als SPIELWELT eine der Säulen der deutschen Rollenspielmagazin-Landschaft bildete. Herausgegeben wurden die Spiele von Elsa Frankes Verlag für Fantasy- und SF-Spiele, für den Jürgen Franke als Autor, Lektor und Designer von Midgard verantwortlich zeichnete. Echte Verbreitung erreichten schließlich 1985 die A4-Softcover „Midgard – Das Fantasy-Rollenspiel“ und „Midgard – Welt der Abenteuer“, die sich durchaus gegen die 1984 erschienenen Marktgiganten DSA und D&D behaupten konnten. Mit der 1989er Ausgabe bei Klee Spiele – die aus lizenzrechtlichen Gründen auch die endgültiger Trennung von Magira markiert – und der 2001er Version bei Pegasus wurden neue Vertriebswege beschritten, die garantierten, dass Midgard eine durchgehende Präsenz in der deutschen Rollenspielszene zeigte. Dazu gehört auch die Einsteiger-Version Runenklingen.

Dass Midgard noch in der Szene beliebt ist, sieht man nicht nur an der aktuellen fünften Edition (2013) – die den Geist des Systems beibehalten, aber spielfreundliche Neuerungen eingeführt hat –, sondern auch an der lebendigen Con-Szene. Und bei beidem sind Elsa und Jürgen Franke als Verlagsleiterin und Chefdesigner immer noch aktiv beteiligt. Und das alles sind mehr als genug Gründe, den beiden, die zum erlesenen Kreis der langjährigsten Rollenspielerinnen gehören, diese Auszeichnung zu verleihen.

Thomas Römer

Elsa und Jürgen Franke entwickelten das erste in Deutschland geschaffene Rollenspiel Midgard, welches heute in der aktuellen fünften Auflage vorliegt. Dazu 13,5 Regionalbände und eine hohe zweistellige Zahl von Abenteuern. Dazu sind 63 Ausgaben der Zeitschrift „Gildenbrief“ entstanden, in der nicht nur Fanmaterial veröffentlicht wurde.

Thomas Römer dankt fantasyguide.de, aus deren Midgard-Special zum Erscheinen von Midgard 4 viele der biographischen Angaben stammen. Einige Angaben sind hier deutlich verkürzt wiedergegeben – ein Blick in das genannte Special lohnt allemal.

Der Veranstalter empfiehlt zudem einen Blick auf unsere Aufzeichnung des von Lena Falkenhagen geführten Interviews mit den Preisträgern, dass der Deutsche Rollenspielpreis auf dem Nordcon präsentierte.
Zudem hat der Eskapodcast, der es auf die Shortlist für das beste Audio-Format 2019 geschafft hat, ein höchst hörenswertes Interview mit den Preisträgern aufgezeichnet.

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